Ein Blick hinter die Kulissen.
In der Weiterbildungsbranche ist die Qualität der Angebote von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass Lernende hochwertige Aus- und Weiterbildungen erhalten können. Gängige Methoden zur Qualitätssicherung ist die Zertifizierungen nach AZAV (die vom Gesetzgeber für öffentlich geförderte Maßnahmen vorgeschriebene) ist oder die ISO 9001. Diese Zertifizierungen sollen garantieren, dass Weiterbildungseinrichtungen bestimmte Standards erfüllen. Doch während sie zweifellos Vorteile bieten, gibt es auch eine Kehrseite der Medaille, die oft übersehen wird.
Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass diese Zertifizierungen (jedenfalls so, wie sie zurzeit gelebt werden) innovationsschädlich sind und dringend reformiert werden sollten.
Ein Zertifizierungsverfahren einzuführen und aufrechtzuerhalten, ist mit erheblichem bürokratischem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Kleinere Weiterbildungseinrichtungen können sich dies oft nicht leisten, was zu einer Konzentration auf größere Anbieter führt und die Vielfalt der Bildungslandschaft beeinträchtigt. Dabei es sind oft gerade die kleineren Unternehmen, die mit neuen Ideen und frischem Wind auf den Markt treten. Für sie sind Zertifizierungszwänge Eintrittsbarrieren.
Zertifizierungen wie AZAV und ISO 9001 legen Standards fest, die im Umkehrschluss zu einer Standardisierung der Bildungsangebote führen. Dies hat aber zur Folge, dass die Individualität und Flexibilität in der Lehre verloren gehen, da Bildungsanbieter bestrebt sind, die Zertifizierungsanforderungen zu erfüllen, anstatt sich auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Lernenden zu konzentrieren.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass Zertifizierungen mehr Wert auf die Einhaltung von Prozessen legen als auf die tatsächlichen Ergebnisse und den Lernerfolg der Teilnehmer. Dies kann dazu führen, dass der eigentliche Zweck der Weiterbildung, nämlich das Erreichen von Bildungszielen, aus den Augen verloren wird.
Außerdem sind Normen und Standards ziemlich starre Gebilde. Sie haben ja ihren Sinn gerade darin, verbindliche „Regeln“ für längere Zeiträume aufzustellen. Und damit haben sie per Definition Schwierigkeiten, sich schnell genug an sich ändernde Anforderungen und Entwicklungen in der Weiterbildungslandschaft anzupassen. Dies muss zwangsläufig dazu führen, dass die Zertifizierungen veraltet sind, kaum dass sie eingeführt wurden. Natürlich werden die Normen und Standards selbst auch immer wieder angepasst. Aber das findet systembedingt stets im Nachgang statt, ist immer reaktiv. Und damit immer eine Bremse Innovation. OK, es gibt Leute, die sagen, dass Regeln (oder Verbote) auch dazu führen können, dass Firmen innovativ werden, weil sie ohne diese Impulse nichts unternehmen würden. Das stimmt – im Sinne von „wie können wir trotz dieser Vorgaben oder Einschränkungen erfolgreich sein?“ Und in manchen Situationen kann daraus tatsächlich etwas entstehen, was ohne den „Druck“ der Behörden nie passiert wäre, wenn man nur das freie Spiel der Kräfte auf dem Markt hätte wirken lassen. Aber das sind Ausnahmen, wie im Bereich der Klimapolitik, der Schaffung von Chancengleichheit beim Aufeinandertreffen großer wirtschaftspolitischer Unterschiede (Bsp. große Unterschiede bei Sicherheitsstandards oder Staatssubventionen). In den meisten Fällen sind Regulierungen oder Zertifizierungen aber natürliche Antagonisten zur freien Ideenentfaltung und zu Try- an Error, was für Innovationen unumgänglich ist.
Deshalb führt die Notwendigkeit, Zertifizierungsstandards einzuhalten, in der Bildungsbranche zwingend zu einem Hemmnis für Innovation und Fortschritt.
Dummerweise sind wir in unserem Land aber gerade auf Innovation und Fortschritt zwingend angewiesen. Und dafür braucht es auch Aus- und Weiterbildung. Und zwar richtig gute Aus- und Weiterbildung. Zeitgemäße Aus- und Weiterbildung. Innovative Aus- und Weiterbildung. Und nicht nur standardisierte, prozessgenormte Aus- und Weiterbildung. Und deshalb braucht es meines Erachtens dringend ein neues Verständnis über die wahre Bedeutung von AZAV und IS0 9001. Und Überlegungen, wie wir die auch in der Weiterbildungsbranche zwingend benötigte Innovation besser voranbringen können. Oder sie zumindest nicht behindern.
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